Berlin hat mehr Museen als Regentage. Insgesamt 175 Kulturstädte zählt die Bundeshauptstadt. Diese Häuser wurden vergangenen Montag bis auf weiteres geschlossen. Pandemiebedingt müssen wir Berliner und Berlinerinnen unsere Kontakte reduzieren, um insbesondere die vulnerablen Gruppen zu schützen. Gut so! Jedoch stellt sich mir die Frage, wie sehr Museen tatsächlich zum Infektionsgeschehen in den letzten Wochen und Monaten beigetragen haben. Laut dem Robert Koch Institut nämlich gar nicht. Deutschlandweit ist kein einziger Infektionsherd bekannt, der aus einem Museum resultiert. Ganz im Gegenteil.
Es gibt längst detaillierte Sicherheitskonzepte. Die Bürger müssen vor dem Museumsbesuch schon seit Monaten online ein Zeitfenster für ihren Besuch reservieren. Damit wird gewährleistet, dass sich die Menschen im Raum gut verteilen können und nicht zu viele gleichzeitig an einem Ort sind. Das ach so oft gepredigte Abstandhalten war bereits vor Pandemiebeginn in den meist spärlich besuchten Häusern ohnehin kein Problem.
Die meisten COVID-19-Infektionen in Deutschland wurden übrigens im privaten Umfeld verzeichnet. An Orten, wo Menschengruppen über einen längeren Zeitraum beisammen sitzen, reden, lachen und trinken. In Museen herrscht indes meist eine eher ruhige und geordnete Atmosphäre. Es wird wenig geredet und selten getanzt. Zumindest kann ich mich nicht an dicht-gedrungenen Raves vorm Pergamonaltar erinnern.
Die fiesen Aerosole haben in den heiligen Hallen unserer Museen übrigens auch kein leichtes Spiel. Schon seit Jahren schützen ausgeklügelte Lüftungskonzepte und millionenschwere Lüftungsanlagen nicht nur die Exponate vor Schäden, sondern mittlerweile auch die Gäste vor Ansteckungen mit dem Virus.
Museen sind Orte der Ruhe und der Gedanken. Sie sind wichtige Erlebnis- und Bildungsorte, die für eine positive gesellschaftliche Entwicklung unverzichtbar sind. Durch die aktuellen Schließungen werden Museen jedoch zur bloßen Belustigung und Freizeitgestaltung degradiert und in einem Atemzug mit Fitnessstudios und Bordellen genannt.
Kultur ist aber nicht bloß ein netter Zeitvertreib. Sie kann uns berühren, regt zum Denken an und ist für viele Menschen existenzielle Seelennahrung – ganz besonders in schwierigen Zeiten. Ja, wir müssen solidarisch sein und aufeinander aufpassen. Dabei darf man sich selbst jedoch nicht vergessen.
Museen mögen vielleicht nicht systemrelevant sein und wir werden auch die kommenden vier Wochen ohne sie überstehen. Jedoch beobachte ich die Prioritätensetzung der Bundesregierung bei dem sogenannten Lockdown Light mit großer Skepsis. Denn weiterhin geöffnet bleiben Shopping-Malls und Flagshipstores. Naja, so kann immerhin der gemeine Kapitalist seine innere Leere mit dem Kauf überteuerter Konsumgüter und Markenartikel stopfen.
Leider spülen Museen eben nicht etliche Milliarden in die Staatskassen, sonst dürften sie wahrscheinlich weiter geöffnet bleiben. Nein. Museen schenken uns lediglich den Raum für kritische Auseinandersetzungen und dienen unserer Bildung. Und dass diese bei den politischen Entscheidungsträgern nicht den höchsten Stellenwert hat, wissen die – bei geöffneten Fenstern – frierenden Schüler in den Klassenräumen wohl nur zu gut.