Der Anti-Trump hat gewonnen. Joe Biden ist President-elect und wird am 20. Januar 2021 sein Amt als 46. Präsident der Vereinigten Staaten antreten. Als der Demokrat am 7. November endlich die Zahl von 270 Wahlleuten knackte, ging ein Seufzer der Erleichterung durch die deutschen Newsrooms und Redaktionen.

Lame Duck Trump hielt die Journalisten auch hierzulande mit seinen fiesen Tweets in Atem. Diese Zeit ist bald vorbei und das ist auch gut so. Auf einen ruppigen Narzissten folgt ein weitaus staatsmännischer und in sich ruhend wirkender Greis, der obendrein auch noch acht Jahre Erfahrung aus seiner Vizepräsidentschaft unter Barack Obama mitbringt. Wer jetzt denkt, der amerikanische Spuk nimmt endlich ein Ende und Joe Biden sei ein allumfassender Heilsbringer, der unsere gespaltene Welt neu eint, der irrt jedoch.

Auch Joe Biden wird eine Amerika-zentrische Politik verfolgen, wenngleich auch nicht mit dieser aggressiven Rhetorik wie sein Vorgänger. Nach der America-First-Doktrin folgt das Buy-American-Credo. Dies betonte Biden mehrmals in den letzten Wochen vor dem Election Day. Er will Unternehmen mit Produktionen im Ausland mit Strafsteuern belegen, Investitionen innerhalb den USA hingegen belohnen. Das Parteiprogramm der Demokraten ist gespickt mit protektionistischen Vorhaben. So werden unter einem Präsident Biden beispielsweise auch die Zölle auf Stahl aus Europa bestehen bleiben.

Sieht man sich Bidens politische Vergangenheit genauer an, so erkennt man durchaus fragwürdige Entscheidungen. Als Vorsitzender des Justizausschusses des Senats sorgte er in den 1990-er Jahren dafür, dass die kontroverse Crime Bill durchgesetzt wurde. Ein Gesetz, das die Polizei militarisierte und bereits bei minder-schweren Straftaten die Gefängnisstrafe vorsah.  Polizisten konnten unliebsames Verhalten schneller als Straftat deuten. Dies vereinfachte Racial Profiling in Amerika. Bidens Crime Bill schadete seit ihrer Einführung vor allem männlichen People of Color: 2020 sind mehr Schwarze in amerikanischen Gefängnissen inhaftiert, als jemals zuvor. Aus diesem Grund ist fraglich, ob sich Biden den Problemen schwarzer Amerikaner – wie von ihm angekündigt – wirklich annehmen wird.

Joe Biden hat während seiner fast 50-jährigen politischen Laufbahn einige Fehler gemacht. Doch er wird nun versuchen die Wunden zu heilen, die Trump in seiner Regentschaft aufriss. Er wird dem Pariser Klimaabkommen erneut beitreten und die WHO wieder finanziell unterstützen. Bereits diesen Montag rief er eine Experten-Kommission zusammen, um endlich eine Strategie im Kampf gegen die COVID-19-Pandemie in Amerika zu entwickeln. Der Ton im White House wird mit Biden endlich wieder einem Politiker angemessen. „This is the time to heal in America“, sagte er in seiner letzten Rede an die Nation. Diesem Pathos müssen nun aber auch Taten folgen. Good luck, Mr. President!