Cisca Bogman und Oliver Störmer nennt sich das Künstler:innen-Duo STOEBO aus Berlin. Als vor 10 Jahren der Kunst am Bau-Wettbewerb am BER ausgerufen wurde, erhielten die beiden den Zuschlag für ihre Idee und durften eines der sechs exklusiven Kunstwerke am Flughafen Berlin-Brandenburg umsetzen. Viele Jahre später können die Menschen aus aller Welt den sogenannten Sterntalerhimmel bestaunen und finden dort vielleicht auch ein kleines Stück Heimat wieder.

Der Titel des Kunstwerks Sterntalerhimmel erinnert an „Die Sterntaler“ der Brüder Grimm. War das Märchen eine Inspiration für Ihr Werk?

Cisca Bogman: Nein, nicht direkt. Das ist erst zum Schluss dazu gekommen.

Oliver Störmer: Das Märchen „Die Sterntaler“ ist sozusagen der Schlussstein in der Konzeptentwicklung zu dem Kunstwerk. Der Beginn der Reise war der Lausbubenstreich und dieser Moment der Verführung: Es klimpert irgendwas, ein Geldbeutel entleert sich und auf einmal liegen Münzen am Boden und alle drehen sich um.

Cisca: Die Geldbörse an dem unsichtbaren Faden oder die festgeklebte Münze am Boden, das kennen die meisten aus der Kindheit.

Oliver: Aber um Ihre Frage zu beantworten. Das Märchen „Die Sterntaler“ fiel irgendwo mal im Gespräch und dann machte es bei uns sofort „klick“. Fortan konnten wir das Banale, das Lausbubenhafte plötzlich mit einem poetischen Gedanken verbinden. Insofern ist das Märchen schon eine gewisse Inspiration für unser Werk.

Wen adressiert das Kunstwerk?

Cisca: Natürlich die Wartenden, denn die haben mehr Zeit es zu betrachten. Aber vielleicht auch ein Reisender, der seine eigene Währung erkennt. Meist springt die einem nämlich sofort ins Auge.

Oliver: Flughäfen sind extreme Transit-Orte. Man möchte so schnell wie möglich wieder weg. Wir wollten etwas schaffen, was die Leute fasziniert, sie fesselt und womit man die Zeit verkürzen kann.

Oft soll Kunst zum Denken oder Reflektieren anregen. Was will der Sterntalerhimmel?

Oliver: In erster Linie will er einfach gefallen und die Leute gut unterhalten. Aber er gibt auch Gedanken zum Reflektieren mit. Der Sterntalerhimmel hat verschiedene Bedeutungsebenen. Einerseits die Ebene der Münzen oder der Münzsammlung. Es sind auch nicht irgendwelche Münzen, die dort zu sehen sind. Wenn man sich ein wenig umschaut und von der einen Münze zur nächsten wandert, dann sieht man plötzlich: „Hey, das hängt ja alles irgendwie zusammen!“

Wir haben dort zwei verschiedene Bereiche. In dem einen gibt es ausschließlich Münzen zum Thema Fliegen. Angefangen von Vögeln über Astronauten bis hin zu Kosmonauten, Engeln und Bienen. Der andere Bereich zeigt exotische Orte, also die Sehnsucht nach der Fremde. Dann noch der Aspekt, wenn man aus einem fernen Land kommt und durch Zufall seine eigene Münze als ein Stückchen Heimat in der Fremde vorfinden kann. Mit all diesen Gedanken spielt das Kunstwerk. Wir dachten, das sei interessantes Storytelling, was die Leute berühren kann.

Cisca: Was auch sehr interessant ist: Viele Münzen sind natürlich seit der Einführung des Euros nicht mehr im Umlauf. Das sind nun alles Sammlerstücke.

Oliver: Ja, das ist ein ganz interessanter Aspekt, den Cisca hier aufgreift: Der Aspekt des Geld-Verschwindens. Als wir vor zehn Jahren den Wettbewerb gewonnen haben, da spielte Bargeld noch eine große Rolle. Es gab noch nicht diesen bargeldlosen Verkehr in dem Umfang, wie man ihn heute kennt mit PayPal und Apple Pay. Insofern bringen wir etwas Materielles vor Ort, was momentan eher entmaterialisiert wird.

Sternatlerhimmel

Ihr Kunstwerk wird auch als eine Art Metapher dafür bezeichnet, dass in Deutschland das Geld auf der Straße liegen würde. Stimmen Sie dieser Interpretation zu?

Cisca: Na man muss hier schon auch hart arbeiten, also auf der Straße würde ich nicht sagen! Vielleicht liegen eher die Chancen auf der Straße. Vor allem hier in Berlin.

Oliver: Für uns war eigentlich der Begriff des Geldes oder der Münze ein Synonym für Chancen. Es ging nicht per se darum, dass es hier leichtes Geld zu finden gibt in Berlin. An der Stelle nochmal zurück in das Jahr 2010. Es war ein anderes Berlin als heute. Damals war Wowereit noch Bürgermeister und prägte diese Stadt in ihrem Aufbruch mit seinem Spruch „arm aber sexy“. Vor dem Hintergrund ist auch ein bisschen der Gedanke für dieses Kunstwerk entstanden. Berlin bot mit seinem damals hoch verschuldeten Haushalt, durchaus Chancen für neue Geschäftszweige, für Unternehmer, Künstler und junge Leute.

Wie haben Sie es geschafft, an diese 5.000 verschiedenen Münzen zu kommen?

Cisca: Die meisten Münzen wurden tatsächlich über eBay angekauft. Alle Münzen sind nach der Größe der Sterne verlegt, danach haben wir geguckt. Jeder Stern wird durch eine Münze repräsentiert.

Oliver: Wir haben im Zuge unserer Recherche herausgefunden, dass bei optimalen Bedingungen von der Erde aus insgesamt ca. 5000 Sterne im Weltall sichtbar sind. Das war dann unsere Richtzahl, nach der wir angefangen haben zu sammeln.

Cisca: Manchmal bin ich in Spezialistenläden und Münzläden gegangen, aber die haben gemerkt, dass ich nicht viel Ahnung habe von Münzen und waren eher widerwillig mir zu helfen.

Oliver: Und die dritte Quelle waren Freunde, Bekannte und Förderer im weitesten Sinne, die uns ihre Münzen vom Reisen vermacht haben. Jetzt freuen die sich, dass es einen Ort gibt, wo ihre Münzen aufbewahrt werden.

Das Kunstwerk wurde zum ursprünglichen Eröffnungstermin pünktlich fertig, danach folgten noch 8 Jahre Baustelle – verschwanden im Zuge der weiteren Baumaßnahmen Münzen?

Oliver: Erstaunlich wenig Münzen. Wir haben kurz vor der Eröffnung des BER die Nachricht erhalten, dass drei Münzen fehlen. Die wurden uns tatsächlich entwendet.

Cisca: Die Münzen sind sehr gut und fest platziert. Man muss sehr viel Gewalt anwenden, um die herauszukriegen.

Oliver: Tatsache ist, dass auch der Stein dadurch beschädigt wurde.

Cisca: Ja, das ist einfach so schade.

Viele der Reisenden werden Ihr Kunstwerk womöglich gar nicht bemerken und einfach nichts ahnend darüber hinweglaufen. Ärgert Sie das?

Oliver: Überhaupt nicht. Es ist eigentlich ganz schön. Einerseits ist es ja in der Konzeption des Kunstwerks integriert, dass man es übersehen kann. Das soll auch so sein und das ist gut so. Es ist eben ein Kunstwerk, das sich an Leute richtet, die ihre Augen aufhaben und wach sind. Wir haben im Rahmen des Wettbewerbs das Konzept der Architekten gelesen und erfahren, warum sie sich eigentlich für diesen Boden aus Naturstein entschieden haben. Das ist ein Jura-Marmor aus Deutschland und der erinnert farblich an die Brandenburger Streusandwüste. Zusätzlich trägt er fossile Spuren und Ammoniten. Mit unseren Münzen integrieren wir künstliche Fossilien zu den echten Petrefakten.

Cisca: Dann ist auch die Geschichte wieder rund: Denn das erste Geld der Menschheit waren Muscheln.

Bildquellen: © Alexander Obst / Marion Schmieding, Flughafen Berlin Brandenburg GmbH // Das Interview wurde im Dezember 2020 geführt.